Gute Entscheidungen treffen
Wie Sie gute Entscheidungen treffen können und was Sie dabei beachten sollten
Jede und jeder muss im Leben wichtige Entscheidungen treffen: Heirat, Umzug, Entscheidung für einen Jobwechsel oder sogar dafür, einen ganz anderen Beruf zu ergreifen. All diese Entscheidungen sind von immenser Tragweite für unser weiteres Leben. Kein Wunder also, dass die Meisten von uns zum Teil erhebliche Probleme bei der Entscheidungsfindung haben.
Wichtige Entscheidungen können schwierig sein!
Quelle: Eigenes Foto, Bonn.
Im Folgenden gebe ich Ihnen drei Tipps zu Entscheidungen und stelle anschließend eine Methode vor, wie Sie (gute) Entscheidungen treffen können.
Treffen Sie gute (statt richtige) Entscheidungen
Viele Menschen zögern wichtige Lebensentscheidungen hinaus, weil Sie „die richtige Entscheidung“ treffen möchten bzw. sie haben die Sorge, „falsche“ Entscheidungen zu treffen. Die Annahme, es gäbe „richtige“ bzw. „falsche“ Entscheidungen setzt aber Vorhersagbarkeit und Eindeutigkeit voraus. Ähnlich wie die Lösung einer Rechenaufgabe: 2 + 2 ist eben vier und nicht fünf oder sechs. In einer komplexen, unsicheren Welt– man denke nur an die aktuellen Krisen, die durch die Corona-Pandemie oder auch den Ukraine-Krieg ausgelöst wurden und die unser Leben völlig durcheinander gewirbelt haben – ist dies nicht der Fall. Egal, wie viele Informationen wir im Vorfeld sammeln, wir können nicht wissen, ob sich unsere Angebetete als Ehebrecherin entpuppt oder der vermeintliche Traumarbeitgeber von einem Konkurrenten aufgekauft wird und unser Traumjob gestrichen wird. Wir kennen unsere Zukunft nicht. Wenn wir trotzdem wichtige Entscheidungen allein mit den Mitteln der Logik treffen, führt dies häufig zu schlechteren Ergebnissen (s.a. Gerd Gigerenzer).
Was folgt daraus? Zwar gibt es für wichtige Weichenstellungen in unserem Leben keine richtigen oder falschen Entscheidungen, die sich rein rational treffen ließen. Aber den Prozess der Entscheidungsfindung können wir optimieren. Es geht somit um kluge oder gute Entscheidungen. Das ist ein wichtiger Unterschied, der die Entscheidungsfindung schon in eine andere Richtung lenken kann.
Nutzen Sie Ihr Bauchgefühl UND Ihren Verstand
Um eine Idee davon zu bekommen, wie wir gute Entscheidungen treffen können, lohnt ein kleiner Umweg über die Wissenschaft. Wir haben zwei Systeme, mit denen wir Entscheidungen treffen: Den (bewussten) Verstand (oder auch „langsames Denken“) und unser Unbewusstes (das Bauchgefühl oder auch „schnelles Denken“). Beide Systeme sind evolutionsbiologisch unterschiedlich alt und verorten sich an verschiedenen Stellen in unserem Gehirn. Unser Unbewusstes ist quasi eine Bibliothek von gespeicherten Gefühlen, Sinneseindrücken und Erinnerungen. Sie stehen uns in Bruchteilen einer Sekunde zur Verfügung, dringen aber selten in unser Bewusstsein. Unser Unbewusstes bewertet hedonistisch in „ist gut für mich“ bzw. „ist schlecht für mich“. Die Sprache des Unbewussten sind sogenannte somatische Marker, d.h. diffuse Körperwahrnehmungen und Gefühle. Der (bewusste) Verstand hingegen ist ein relativ langsam arbeitendes System, das Bewertungen mit Hilfe von logischem Denken vornimmt. Er äußert sich durch Sprache und tritt tatsächlich nur hilfsweise in Aktion, wenn nämlich unser Unbewusstes nicht zu eindeutigen Bewertungen kommt.
Wenn wir nun versuchen, Entscheidungen rein verstandesmäßig zu treffen, vernachlässigen wir ein ganz wichtiges System, nämlich unser Bauchgefühl. Gute Entscheidungen vereinen daher beide Bewertungssysteme. Dann stimmen wir die Ergebnisse unseres Verstandes mit den somatischen Markern (der Sprache des Unbewussten) ab, bis wir zu übereinstimmenden Bewertungen gelangen.
Werden Sie sich Ihrer inneren Manipulierer bewusst
Die beiden Bewertungssysteme wirken fortwährend aufeinander ein und streben dabei nach möglichst effizienten Lösungen. Das Unbewusste ist ständig in Aktion. Unser Verstand hingegen ist ein träges System, das nur ausnahmsweise anspringt. Da wir eine Präferenz für schnelle simple Lösungen haben, versucht unser Unbewusstes häufig den bewussten Entscheidungsprozess abzukürzen. Daniel Kahnemann nennt zahlreiche „kognitive Verzerrungen“, die hier eine gewichtige Rolle spielen. Dazu zählen beispielsweise Priming-Effekte, der Halo-Effekt, Heuristiken oder auch narrative Verzerrungen, mit denen wir uns quasi die Vergangenheit schönreden. In meinen Coachings zur beruflichen Neuorientierung beobachte ich häufig einen weiteren Effekt, nämlich, dass Verluste intuitiv höher bewertet werden als Gewinne. Wenn beispielsweise ein Jobangebot in einem „sinnerfüllteren“ Job mit einem Gehaltsverlust einhergeht, entscheiden sich viele doch gegen diese Variante. Ein Gewinn an Sinn wird (intuitiv) nicht so hoch bewertet wie der Verlust an Gehalt.
Kahnemann folgert daraus, dass wir uns diese inneren Manipulierer bewusst machen und unseren Verstand gerade bei richtungsweisenden Entscheidungen dazu nutzen sollten, um langsam und gründlich nachzudenken.
Mit der Affekt-Bilanz gute Entscheidungen treffen – ein Beispiel
Maja Storch hat mit dem Institut für Selbstmanagement und Motivation Zürich (ISMZ) eine Methode entwickelt, wie wir gute Entscheidungen für wichtige Lebensthemen mit dem Verstand und dem Unbewussten treffen können. Hierzu haben Sie u.a. die Affektbilanz entwickelt, ein Instrument, das somatische Marker – also die Sprache des Unbewussten – misst und versprachlicht. Das Vorgehen möchte ich anhand eines Beispiels aus der beruflichen Neuorientierung vorstellen.
Eine Klientin möchte sich beruflich neu orientieren. Ihren Job als IT-Entwicklerin empfindet Sie als wenig sinnstiftend. Zudem leidet sie zunehmend unter dem hohen Arbeitspensum. Früher hat sie ehrenamtlich mit Migrierten gearbeitet. Diese Arbeit hat ihr viel Freude bereitet. Sie überlegt nun, ob sie sich beruflich neu orientieren soll und ein Jobangebot in der Flüchtlingsarbeit annehmen soll. Außerdem hat sie auch ein Jobangebot im IT-Bereich, das überdies höher dotiert ist als ihr vorheriger IT-Job. Sie hat schon Pro- und Contra-Listen angelegt und mit Freunden gesprochen, aber eine Entscheidung kann sie nicht herbeiführen.
In einem ersten Schritt stellt die Klientin die Entscheidungsalternativen dar, also den IT-Job und den Job in der Flüchtlingsarbeit. Für jede Alternative stellt sie dann eine Affektbilanz auf. Hierfür spürt sie jeweils nach, wie viel positives bzw. negatives Gefühl sie für die jeweilige Alternative empfindet. Dies trägt sie auf zwei getrennten Skalen rein nach Gefühl ab.
Ihre Affektbilanzen sehen so aus:
Das ambivalente Gefühl der Klientin zeigt sich in den Affektbilanzen. Beide Alternativen weisen sowohl positive als auch negative Gefühle auf. Eine klare Handlungstendenz zeigt sich also nicht. Beim Versprachlichen der Affektbilanzen erkennt die Klientin u.a., dass das (attraktive) Gehalt des IT-Jobs für sie positiv ins Gewicht fällt, hingegen die Arbeitsbelastung im IT-Bereich negativ, der Job in der Flüchtlingshilfe verspricht viel Sinn, das recht niedrige Gehalt empfindet sie jedoch als negativ.
Beim Sammeln von Ideen, für Veränderung der Affektbilanzen, entdeckt die Klientin, dass sie einen IT-Job als sinnstiftend empfinden könnte, wenn sie diesen in einer Organisation der Flüchtlingshilfe bzw. mit Flüchtlingen ausüben könnte. Dies lässt ihr positives Gefühl für den IT-Job steigen. Außerdem stellt sie sich vor, dass sie ihre Arbeitszeit auf 32 Stunden reduziert. Dadurch sinkt der negative Wert für den IT-Job. Alles in allem würde sich dann eine Handlungstendenz hin zu einem IT-Job in einer Organisation der Flüchtlingsarbeit ergeben.
Da dies zunächst ein Gedankenexperiment ist, gilt es in einem nächsten Schritt den Realitätscheck zu machen. Hierzu kann sie beispielsweise recherchieren, welche Organisationen es in ihrer Nähe gibt oder auch in Jobbörsen nach IT-Jobs in solchen Organisationen suchen. Sie könnte auch versuchen, mit Menschen zu sprechen, die solche Jobs ausüben (sog. Informational interviews führen) und schließlich könnte sie in einer solchen Organisation Probe arbeiten. Je nachdem, wie sie die Ergebnisse ihres Prototypings (intuitiv) bewertet, wird sich ihre Affektbilanz in die eine oder andere Richtung verändern.
Mit dieser Methode der Entscheidungsfindung hat die Klientin nun einen klaren Plan für Ihren guten nächsten beruflichen Schritt entwickelt. Die Affektbilanz hilft ihr dabei, sowohl ihr Bauchgefühl als auch ihren Verstand in guter Weise zu nutzen.
Melanie Schumacher arbeitet als selbständige systemische Coach, Karriereberaterin und Senior Beraterin für das syspo excellence Netzwerk. Sie ist u.a. Zürcher Ressourcen Modell (ZRM)-Coach und war früher in einer Wissenschaftsorganisation und einer Managementberatung tätig. Sie lebt und arbeitet in Bonn.
Weiterführende Literatur:
Kahnemann, Daniel, Schnelles Denken, langsames Denken, 2016
Gigerenzer, Gerd, Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, 2008
Storch, Maja, Das Geheimnis kluger Entscheidungen, 2011
GEO Wissen, Nr. 64, Richtig entscheiden.
Autorin:
Melanie Schumacher – Senior Beraterin bei syspo excellence